Köln, den 22. 01. 2008

 

An die Mitglieder der GIP

Liebe Mitglieder der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie,
sehr geehrte Damen und Herren,

Mit einigen nachdenklichen Vor- und Rückblicken möchte ich Ihnen alle herzlichen Wünsche für ein glückliches neues Jahr 2008 senden.

In vielfältiger Weise steht das fachliche und organisatorische Anliegen unserer Gesellschaft in dem von der europäischen Union ausgerufenen „Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs 2008“ im Brennpunkt gegenwärtiger Auseinandersetzungen um die Bedingungen einer zu gestaltenden friedlichen Welt: Dabei ist die Aufgabe unserer Gesellschaft vielschichtig: nicht allein will sie entziffern und interpretieren, sondern auch begreifen und verstehen; nicht aber will sie bloß verstehen, um zu beschreiben, sondern auch nach Wegen und Weisen suchen, in die eigenen wie die fremden Vor- und Selbstverständnisse hineinzufragen, um in einem wechselseitigen Lernprozess nach Modellen und Mustern für eine Verständigung über gemeinsame Ziele und Zwecke in einer von Kriegen und Katastrophen bedrohten Welt zu suchen.
Ihr Ausgang wie ihr Ziel ist darum praktischer Natur: indem sie Klarheit und Orientierung durch Auseinandersetzung mit den philosophischen Selbstauslegungen der Kulturen sucht, ist ihr Ethos auf Wahrheit gerichtet; und indem sie ihre Einsichten zur Grundlage einer zu gestaltenden Welt zu machen sucht, wird sie nach den Prinzipien der Gerechtigkeit und wechselseitigen Anerkennung fragen, um ein gelingendes Leben auf unserem bedrohten Planeten zu befördern und zu gestalten.

Die Gespräche, Tagungen und Aktivitäten des letzten Jahres haben diese gemeinsame Zielrichtung auf den unterschiedlichsten Wegen hervorgebracht und begleitet: Mal waren sie deutlicher an politisch-sozialen Fragen orientiert; mal waren Fragen der Hermeneutik im Kulturengespräch vorrangig; mal sollten Sprachstudien erste Voraussetzungen wechselseitiger Annäherung verschaffen; mal wurden thematische Verdichtungen in das Zentrum gemeinsamer Annäherung gerückt, um die je in Gebrauch genommenen Methoden und Modelle zur Bewältigung der anstehenden Fragen zu reflektieren und zu erproben.
Zunächst möchten wir erwähnen, dass zum ersten Mal im Rahmen der GIP ein Symposion in Norwegen stattfinden konnte. Es wurde an der Norsk Laererakademi Sandviken, Bergen, unter dem Titel „Religion und Kultur“ von Hans M. Bringeland, unserem Mitglied Arve Brunvoll sowie von Nils Gilje und Gunnar Skirbekk vom 18. – 19. Oktober 2007 organisiert und geleitet.
Die vielfältigen Aktivitäten und Initiativen, die Klaudius Ganszyk befördert und gestaltet, werden Ihnen regelmäßig per Rundschreiben zugesandt. Besonders erwähnenswert: die erfolgreiche Tutzinger Tagung zur Weltinnenpolitik im Mai 2007, deren Programm Sie erhalten haben und deren Resultate bereits als Publikation zugänglich sind.
Weiterhin möchte ich auf die monatlichen Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen im Kölner Café Libresso zu allgemeinphilosophischen Themen unter Berücksichtigung interkultureller Fragen hinweisen. Diese Veranstaltungsreihe ist von Karin Farokhifar und Hermann-Josef Scheidgen initiiert worden und bietet seit mehr als fünf Jahren ein gut besuchtes Informations- und Diskussionsforum interkultureller Philosophie.

Die Schwerpunkte, die sich in Köln entfalten konnten, waren zum einen
- hochschulpolitisch auf die Entwicklung und Förderung unseres wissenschaftlichen Nachwuchses gerichtet. Ein neuer Studiengang zu „Inter- und transkulturellen Studien“ für die BA- und MA-Studienordnung konnte entstehen.
- Unter meiner Leitung konnten im vergangenen Jahr zwei Fachtagungen durchgeführt werden. Eine weitere findet Ende Januar 2008 statt:

- Im Februar 2007 eine Tagung zum Thema:
„Grenzgänge zwischen Religion und Philosophie“
(Wie, so lautete die Frage, können Positionen, denen Spiritualität, das Sakrale oder der jeweilige Transzendenzbezug ein Letztes ist, zu Formen der Verständigung finden, die sie nicht dogmatisch voreinander trennt, sondern die ihr Anliegen auch für die anderen nachvollziehbar werden lässt? Und wie können Positionen, denen Rationalität als letzter Horizont der Weltbeschreibung gilt, die Tauglichkeit ihrer Rationalitätsstandards erweisen, um der Herausforderung der wiedererwachenden Spiritualität/Religiosität Rechnung zu tragen?)
- Im Juli 2007 fand eine weitere Fachtagung zum Thema:
„Selbst- und Weltverhältnisse in einer interkulturellen philosophischen Annäherung“ (vorausweisend auf unsere größere Tagung Ende des WS 2008) statt.
(Sollte die menschliche Seele in den großen Traditionen der Weltphilosophien – in der abendländischen Philosophie von Platon bis Hegel – aber auch in den Philosophien des Orients, - im Hinduismus, Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus - noch die Mitte bilden zwischen den natürlichen Erscheinungen der gegebenen Welt und dem freien Geiste der moralischen Welt, so hat das Selbst oder die Seele - herabgestimmt zum empirischen Ich oder zur personalen Identität – in der Philosophie des 19. und 20. Jh.s diese Zentralstellung verloren. Ohne ein Bewusstsein von ‚Herkunft’ und ‚Zukunft’ aber stürzt das transzendental obdachlos gewordene Ich - nach Schleiermacher, der Frühromantik, nach Kierkegaard, Nietzsche und Heidegger - in das Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit. Angst (Heidegger) und Verzweiflung (Kirkegaard) werden zur Grunderfahrung einer Existenz, die sich nicht mehr in einem transzendenten Bezugssystem verankert weiß. Gegenläufig dazu finden wir eine Weltbeschreibung, die den Einzelnen als beobachtbares und beschreibbares Objekt im relationalen Gefüge innerer und äußerer Abhängigkeiten zur Selbstdementierung und Selbstannihilierung seines wissenden und wollenden Selbstverhältnisses.
Gefragt werden sollte, inwiefern eine Öffnung gegenüber vielfältigen nicht-europäischen Perspektiven, in denen unser Weltverhältnis noch an unser wissendes und wollendes Selbstverhältnis, oder die Idee der 'reinen Erfahrung' (Nishida) gebunden bleibt, einen Weg in eine gemeinsame Perspektive weisen kann?)
- Am 28. Januar 2008 ist eine dritte Tagung geplant zum Thema:
„Selbstverhältnisse im Fremdbezug?“
(In den großen Traditionen der Weltphilosophie gelten Selbst- und Andersheit als irreduzible Korrelationsbegriffe, die sich wechselseitig voraussetzen und erhellen. Wenn nun aber die Korrelativität beider Sphären einen gemeinsamen Raum voraussetzt, in dem sie sich wechselseitig ermöglichen und beschränken, so wird mit Verlust eines gemeinsamen weltbildzeugenden Horizontes die Relation zwischen Selbst- und Fremdbewusstsein zu einem Problem. Welche Modelle der Annäherung erlauben es, den Hiat zwischen Ego und Alter, zwischen Selbst- und Fremdbewusstsein zu über-winden?)
- Ferner waren und sind wir mit der Gestaltung zweier Kolloquien wie auch der Sektion zur Interkulturalität auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Philosophie (DGPhil) vom 15.–19. September 2008 in Essen befasst. Hier möchten wir insbesondere die Doktoranden herzlich ermutigen, Thesenpapiere einzureichen.
- Ein sehr umfängliches Anliegen unserer Aktivitäten bestand und
besteht ferner in der Herausgabe des Bandes zum Kongress „Religion und Philosophie im Widerstreit?“, den wir im Jahre 2006 an der Universität zu Köln durchgeführt haben. Es bedarf nun allein noch der redaktionellen Überarbeitung des wiederum sehr umfangreichen Bandes von nahezu 500 Seiten, der in diesem Jahr in der Kooperation des Verlages Rodopi mit dem Verlag T. Bautz erscheinen wird.
- Weiterhin arbeiten wir an der Herausgabe einer neuen Publikationsreihe über „Weltphilosophien im Gespräch“, zu der bereits drei Bände in Bearbeitung sind.

Hinweisen möchten wir nochmals auf den 540-Seiten starken Kongressband des vorletzten Kongresses: „Tradition und Traditionsbruch“ (hg. von Claudia Bickmann, Hermann-Josef Scheidgen, Tobias Voßhenrich und Markus Wirtz, Amsterdam, New York 2006), den Sie als Mitglied der Gesellschaft zu einem Vorzugspreis erwerben können, wenn sie ihn über die Geschäftsstelle bestellen. Dies gilt übrigens auch für die weiteren 16 Bände der Reihe „Studien zur Interkulturellen Philosophie“. Auf vielfachen Wunsch unserer Mitglieder konnte der erste Band der Reihe „Philosophische Grundlagen der Interkulturalität“ (hg. von Ram Adhar Mall und Dieter Lohmar) vor kurzem neu aufgelegt werden. Ferner möchten wie Sie auf die mittlerweile auf nahezu 80 Bände angewachsene Reihe: „Interkulturelle Bibliothek“ hinweisen, die mit großem Einsatz von Reza Hamid Yousefi im Verlag Traugott Bautz bearbeitet und herausgegeben wird.
Zu all diesen Aktivitäten möchten wir Sie stets gerne ermutigen und herzlich einladen; wir freuen uns über eine rege Teilnahme sowohl zu den Tagungen wie auch zu Vorträgen und Veranstaltungen, die von unseren Mitgliedern organisiert und durchgeführt werden.

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns auch über Ihre Aktivitäten in den verschiedensten Institutionen, Verlagen, Bildungseinrichtungen berichten würden. Die hier intensiv stattfindende Arbeit würde gewiss auch die Mitglieder der GIP interessieren. Wir planen, eine Spalte „Aktivitäten unserer Mitglieder“ auf unserer Homepage einzurichten – dazu benötigen wir aber Ihre Informationen und, falls Sie eine Homepage-Adresse haben, auch diese. Bitte schicken Sie diese Informationen an unsere Geschäftsstelle in Köln.

Unsere nächste Fachtagung wird Ende des WS 2008/2009 an der Universität zu Köln zum Thema: „Was ist der Mensch? Philosophie und Wissenschaft im Widerstreit zwischen Selbsterkenntnis und Weltbezug?“ stattfinden. Weitere Informationen wie auch eine Einladung an Sie wird von uns noch versandt werden.

Machen Sie bitten auch von der Möglichkeit regen Gebrauch, uns Ihr aktualisiertes Publikationsverzeichnis (an die Geschäftsstelle, z. Hd. Karin Farokhifar und Bernd Müller) zu senden. Gerhard Wansleben bemüht sich weiterhin um die Aktualisierung und Gestaltung unserer Homepage.
Es wäre schön, wenn Sie Ihre Wünsche an uns richten würden, falls Sie Tagungen im Rahmen unserer Gesellschaft veranstalten wollen, über Ihre Aktivitäten berichten wollen oder Vorschläge und Anregungen für die Gestaltung unserer gemeinsamen Arbeit haben sollten.

Eine erfreuliche Nachricht noch zum Schluss. Die Höhe des jährlichen Mitgliedsbeitrages wird sich auch 2008 nicht ändern. Er beträgt weiterhin 25,– Euro für reguläre und 12,– Euro für Studentische Mitglieder. Soweit Sie uns eine Einzugsberechtigung erteilt haben, wird der Betrag Mitte Februar eingezogen werden – bitte informieren Sie uns rechtzeitig, wenn sich Ihre Bankverbindung inzwischen geändert haben sollte, da sonst unnötige Kosten entstehen werden, die wir dann an Sie weitergeben müssten. Diejenigen, die per Banküberweisung zahlen, bitte ich, die Zahlung bis Mitte Februar vorzunehmen. Studentische Mitglieder werden gebeten, eine Kopie des Studenten-Ausweises/ der Studienbescheinigung an die Geschäftsstelle zu schicken.

Nun wünschen wir Ihnen ein glückliches und gesegnetes neues Jahr. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir auch weiterhin auf Ihre großzügige Unterstützung, auf Ihre Anregungen und Teilnahme an unseren gemeinsamen Aktivitäten rechnen könnten.

Im Namen unseres gesamten Vorstandes
seien Sie herzlichst gegrüßt
von
Ihrer

Claudia Bickmann