Präsidentin Prof. Dr. Claudia Bickmann

Köln, den 2. Januar 2010          

                                                                                                                                    

Liebe Mitglieder der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie,
sehr geehrte Damen und Herren,

ein ereignisreiches, fruchtbares Jahr liegt zurück: dank des regelmäßig von Karin Farokhifar und Bernd Müller gestalteten Newsletters wird nicht nur die Fülle an Tagungs- und Vortrags-Aktivitäten sowie Publikationen der Mitglieder unserer Gesellschaft in ihrer gesamten Breite deutlich, es schärft sich auch ihr methodisches und sachliches Profil.

Dabei ist leicht ersichtlich, dass die Perspektive der Interkulturalität bereits auf der Ebene intra-kultureller Begegnungen ihren Ausgang nimmt: Ist doch etwa die Aufgabe, zwischen den Formen der Begriffsphilosophie und den verschiedenen Formen lebensweltorientierter Sinndiätetik grenzüberschreitend nach Verständigungsbrücken zu suchen, derjenigen Aufgabe vergleichbar, die auf interkultureller Ebene zwischen dem eher analysierenden theoretischen Ethos der westlichen Philosophie und der vorrangig ethischen Orientierung der verschiedenen nicht-westlichen Philosophien eine Annäherung sucht. Dass die Suche nach Orten der Verständigung gegenüber den verschiedenen Formen der Konfliktorientierung den Vorrang genießen soll, beruht auf einem Ethos, das der interkulturellen Orientierung Maß und Ziel verleiht.

Welche Formen der Verständigung dann erzielt oder erreicht werden können, wird unweigerlich an unsere jeweiligen philosophischen Startbedingungen gebunden sein: und erst wenn wir die Prägungen durchschauen, in deren Horizont(en) wir - westlich oder nicht-westlich - nach Verständigungsmöglichkeiten suchen, verkommt die Annäherung an die jeweils Anderen nicht zur bloßen Funktion unserer eigenen undurchschaut gebliebenen philosophischen Prämissen. Poliperspektivische Zugänge im Rahmen unserer Gesellschaft zu wahren und zu ermutigen, zugleich aber ein gemeinsames Ziel vor Augen zu halten, das ein friedliches und verständnisvolles Leben auf unserem Planenten erlaubt, bringt unweigerlich die Spannung von Gemeinsinn und Partikularsinn zum Ausdruck.

Diese Spannung hat unsere internationale Fachtagung „Identität – Differenz, Selbstheit – Fremdheit“ im Juli des vergangenen Jahres  - unter Leitung von Prof. Dr. Georg Stenger - direkt in das Zentrum der Analyse gerückt: Zwischen Identitätsorientierung und Differenzansprüchen wurde in der Würzburger Residenz die Spannweite inter-/ trans- bzw. intrakultureller Fragen und Methoden mit Teilnehmern aus 16 Ländern auf lebendige Weise diskutiert, die, wie uns die vielfachen Zuschriften zeigen, bei unseren Mitgliedern wie auch den vielfältigen Gästen eine große Resonanz gefunden hat. Die Veröffentlichung des Kongressbandes hierzu ist für den Herbst 2010 vorgesehen. Die Herausgeber des Bandes werden sich diesbezüglich bald bei den Autorinnen und Autoren melden.

Für den Mai 2011 hat sich freundlicherweise Prof. Dr. Önay Sözer bereiterklärt, in Istanbul den nächsten GIP-Kongress zum Thema: „Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das ‚Inter’ der Interkulturalität im Wandel“ zu organisieren und zu gestalten. (Wenn Sie Interesse an einer Teilnahme haben, bitten wir Sie, sich frühestmöglich bei unserer Geschäftsstelle (Anschrift: GIP e.V., Deutz-Mülheimer-Str. 262a, D-51063 Köln) anzumelden, damit wir Ihnen im Rahmen eines Kontingents ein günstiges Flugticket reservieren und auch Hotelangebote nennen können.)

Die organisatorischen Einbettungen unserer Gesellschaft gewinnen zunehmend ihre Verstetigung im universitären Rahmen; die Anzahl der Philosophischen Institute, die ihre Schwerpunkte auf Problemfelder und Fragen der Interkulturalität ausweiten, wächst. Inzwischen ist das Anliegen unserer Gesellschaft durch meine Wiederwahl in den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Philosophie (DGPhil) erneut im Dachverband aller philosophischen Gesellschaften vertreten. Prof. Dr. Rolf Elberfeld leitet im Rahmen der DGPhil das Forum Ostasiatische Philosophie.

Für den nächsten Kongress der DGPhil in München im September 2011 bin ich erneut beauftragt, ein Kolloquium wie auch eine Sektion zum Thema: „Welt der Gründe“ zu gestalten. Es ist dies ein glücklicher Rahmen, den Anliegen unserer Gesellschaft auch in die anderen Bereiche der Philosophie hinein Gehör zu verschaffen. Noch ist nicht ganz entschieden, ob evt. auch eine eigene Tagung der GIP während dieses Kongresses veranstaltet werden kann.

In meinen Aktivitäten des vergangenen Jahres hat die Kooperation mit verschiedenen chinesischen Instituten, u.a. der Peking-Universität wie der Chinese Academy of Social Science in Beijing, zur Teilnahme an einer Reihe an Tagungen und Kongressen geführt:

Nicht unwichtig ist es vielleicht zu erwähnen, dass es im Mai 2009 in Hongkong eine große internationale Aufklärungstagung gab, die erneut signalisierte, dass der epochale Schnitt in unserer philosophischen Tradition nicht nur einen Umbruch in allen Bereichen der westlichen Gesellschaften mit sich brachte, sondern auch für die nicht-europäischen Philosophien zur bleibenden Herausforderung wie zum negativen wie positiven Bezugspunkt der Annäherung geworden ist.

In einer besonderen Weise konnte ein von der staatlichen chinesischen Seite in Zusammenarbeit mit der Konfuzius-Gesellschaft organisierter Jubiläums-Kongress zur Erneuerung von Konfuzius’ Philosophie im September 2009 deutlich machen, mit welcher Intensität der chinesische Staat nach einer, auf den eigenen Traditionen des Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus aufruhenden Orientierung, - nach einer neuen Staatsphilosophie - sucht, die sich ganz im Lichte der verschiedenen Traditionen der Weltphilosophien zu verorten sucht.

(Da ich meine eigene Vortrags- und Publikationstätigkeit in diesem Zusammenhang bisher in unseren Rundmails nicht eigens aufgeführt habe,  kann ich vielleicht  - falls Sie die Zeichen, die von diesen Aktivitäten für die Gesellschaft ausgehen, interessieren sollten, auf meine Homepage im Philosophischen Seminar der Universität zu Köln verweisen.)

An der Universität zu Köln haben im Verlauf der letzten Jahre unter meiner Leitung verschiedene Fachtagungen zu folgenden Themen stattgefunden:

08/2007:           Selbstverhältnis im Weltbezug?“

                        (http://uk-online.uni-koeln.de/remarks/d157/rm2173678/doc   

02/2008:           „Selbstverhältnis im Fremdbezug?“,

                        http://uk-online.uni-koeln.de/remarks/d157/rm2173679/doc 

07/2008:           „Das Absolute und das Kontingente“;

                        http://uk-online.uni-koeln.de/remarks/d157/rm2173681.doc

02/2009:           „Was ist das, die Philosophie? - Was nicht?";

07/2009:           „Sinnhorizonte. Weltphilosophien zur Frage der Bildungsfähigkeit des

                        Menschen.“ http://uk-online.uni-koeln.de/remarks/d157/rm2173682.doc

 

Ferner konnte für den von der UNESCO ausgerufenen „Tag der Philosophie“ am 19. November 2009 Prof. Dr. Mohamed Turki für einen Vortrag im Domforum in Köln gewonnen werden.

Im Februar 2010 wird eine Tagung zum Thema: „Die Lehre vom ‚höchsten Guten’. Eine interkulturelle philosophische Annäherung an die Perspektive der Menschlichkeit: Ren (仁)“ stattfinden; am 17. Juli 2010 in Zusammenarbeit mit dem August-Pieper-Haus in Aachen eine Tagung zum Thema: „Die Natur des Göttlichen - Eine interkulturelle - philosophische – Annäherung“. Des weiteren ist für den Herbst 2010/ Frühjahr 2011 eine kleine Tagung zum „Dialog mit afrikanischer Philosophie“ geplant, die aller Voraussicht nach am Forum Scientiarum der Universität Tübingen unter der Leitung von Dr. Niels Weidtmann und Prof. Dr. Georg Stenger stattfinden soll. 

Mit japanischen Kollegen und Institutionen bestehen schon seit längerer Zeit enge Kooperationen, was sich sowohl in der Mitgliedschaft wie im Vorstand der GIP auch nachdrücklich widerspiegelt.

Prof. Dr. Georg Stenger ist hier seit Jahren aktiv an gemeinsamen Projekten und Tagungen beteiligt, die sich einerseits auf die gegenseitig fruchtbaren Aufnahmen zwischen westlichem Denken und japanischer Philosophie, insbesondere des 20. Jahrhunderts im Ausgang von Nishida Kitaro beziehen, andererseits Themenstellungen forcieren, die interkulturell und global von großer Brisanz sind: So fand etwa im September 2009 an der Toyo-University in Tokyo eine internationale Tagung „Philosophie der Umwelt – Umweltprobleme und Umweltethik“ statt, wo es neben methodischen Fragestellungen um Klärungen der Zusammenhänge von Technik, Nachhaltigkeit und Langzeitverantwortung, Biodiversität und Bioethik, rechts- und sozialphilosophische Fragestellungen sowie um die kulturell divergierenden Naturkonzeptionen ging.

Im März 2010 wird u. a. im Rahmen des turnusmäßigen Heidegger-Nishida-Symposiums im Nishida-Museum in Kahoku-shi eine internationale Tagung zum Bild- und Kunstverständnis unter dem Thema „West-östliche(s) Bildsprachen/Bildsehen“ stattfinden. Auf all diesen Ebenen geht es ebenfalls um eine weitergeführte, gegenseitig vertiefte Verständigung zwischen den Weltkulturen.

In der von Dr. Markus Wirtz und mir herausgegebenen Reihe „Weltphilosophien im Gespräch“ (Verlag Traugott Bautz) sind bereits drei Bände erschienen., drei weitere sind für 2010 vorgesehen:

Band 1:   Rationalität und Spiritualität (hrsg. v. Claudia Bickmann, Tobias Voßhenrich, Hermann-Josef Scheidgen u. Markus Wirtz),

Band 2:  Grund-Erfahrungen des Denkens (Kai Hochscheid)

Band 3:  Die Poesie der All-Einheit bei Friedrich Hölderlin und Nishida Kitarō (Myriam-Sonja Hantke).

Genauere Informationen zu dieser Buchreihe, die ein neues Publikationsforum für die Begegnung von Grundlagentheorien aus den philosophischen Weltkulturen bieten soll, finden Sie unter http://www.bautz.de .

Hinweisen möchten wir auch nochmals auf die umfangreichen Kongressbände der beiden GIP-Tagungen 2004 und 2006:

- „Tradition und Traditionsbruch zwischen Skepsis und Dogmatik“. Studien zur Interkulturellen Philosophie 16, (hrsg. von Claudia Bickmann, Hermann-Josef Scheidgen, Tobias Voßhenrich u. Markus Wirtz, Rodopi: Amsterdam/ New York 2006, 541 S.),

- „Religion und Philosophie im Widerstreit?“ (2 Bände), Studien zur Interkulturellen Philosophie 18, (hrsg. v. Claudia Bickmann, Markus Wirtz, Hermann-Josef Scheidgen), Traugott Bautz:  Nordhausen 2008, 880 S.).

Beide Bände können Sie als Mitglied der Gesellschaft zu einem Vorzugspreis erwerben können, wenn Sie sie über die Geschäftsstelle bestellen. Dies gilt übrigens auch für die weiteren 16 Bände der bei Rodopi verlegten und von Henk Oosterling und Hermann-Josef Scheidgen herausgegebenen Reihe „Studien zur Interkulturellen Philosophie“.

Zu all diesen Aktivitäten möchten wir Sie stets gerne ermutigen und herzlich einladen; wir freuen uns über eine rege Teilnahme sowohl zu den Tagungen wie auch zu Vorträgen und Veranstaltungen, die von unseren Mitgliedern organisiert und durchgeführt werden.
Nun wünschen wir Ihnen ein glückliches und gesegnetes neues Jahr. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir auch weiterhin auf Ihre großzügige Unterstützung, auf Ihre Anregungen und Teilnahme an unseren gemeinsamen Aktivitäten rechnen könnten.

Im Namen unseres gesamten Vorstandes
seien Sie herzlichst gegrüßt
von Ihrer

Prof. Dr. Claudia Bickmann